
In einer individualpsychologischen Psychotherapie steht nicht nur Ihre Lebensgeschichte mit all ihren bewussten und unbewussten Facetten im Mittelpunkt, sondern auch, was sich davon im Hier und Jetzt der therapeutischen Beziehung wiederholen wird.
Individualpsychologie & Psychoanalyse
Die Individualpsychologie wurde von Alfred Adler (1870–1937) begründet. Sie steht im Austausch mit anderen psychoanalytischen Strömungen und teilt folgende Grundannahmen:
- Erfahrungen werden nicht nur bewusst verarbeitet, sondern wirken auch unbewusst weiter und beeinflussen so unser Erleben und unsere Lebensgestaltung.
- Aufgrund lebensgeschichtlicher Prägungen entwickeln wir eine individuelle Reaktionsbereitschaft: Wir sehen Dinge oft nicht so, wie sie sind, sondern so, wie wir gewohnt sind, sie zu sehen – und reagieren dementsprechend. Dabei durchlaufen wir wiederkehrende Muster, die uns zwar vertraut sind, uns aber gleichzeitig einengen.
- Das Leben stellt uns vor widersprüchliche Anforderungen und unerfüllte Bedürfnisse, etwa nach Sicherheit und Bezogenheit – oft im Zusammenhang mit früheren oder aktuellen Beziehungserfahrungen. Daraus können innere Konflikte, Kompromissversuche oder Defizite entstehen, die sich schließlich in psychischen Symptomen oder Leidensdruck äußern. Hinter jedem Symptom steht somit eine individuelle Ursache oder Funktion.
Zugleich hat die Individualpsychologie die psychoanalytische Theorie um eigene Konzepte erweitert. Besonders relevant erscheinen heute das Minderwertigkeitsgefühl und die damit verbundene Überkompensation, die sich im Streben nach unerreichbaren Zielen, Idealen oder Macht ausdrücken kann.
Adler betonte jedoch – im Gegensatz zu einer rein defizitorientierten Sichtweise – das kreative Potenzial des Menschen sowie sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit und Kooperation. Diese Haltung prägt bis heute meinen Zugang zur therapeutischen Arbeit.
Wie Veränderung möglich wird
Therapie bedeutet, Sicherheit und Geborgenheit durch ein einfühlsames Gegenüber zu erfahren – selbst in Bezug auf beschämte, ängstliche oder aggressive Anteile. Unter diesen Bedingungen beginnt Veränderung mit dem Verstehen des aktuellen Leidens, seiner Bedeutung und seiner inneren Zusammenhänge.
Gleichzeitig richtet sich der Blick auf das, was sich in der therapeutischen Beziehung wiederholt: vertraute oder unbewusste Muster und Erwartungen, innere Haltungen und Konflikte. Ihre Deutung und die affektive Durcharbeitung ermöglichen es, sich selbst und die Welt differenzierter wahrzunehmen und eigene Freiheiten wie auch Grenzen anzuerkennen.